Wir in der Presse  

Allgemeine Zeitung für Stadt und Kreis Uelzen
08-08-2005

Lokalnachrichten Landkreis Uelzen

"Wenn man nicht wegsehen kann"
Hof Loosen in Rätzlingen bewahrt und behütet Tiere - Und jedes Tier hat einen Namen


Carsten Loosen und die Gans, die alles zu verstehen scheint

Rätzlingen. Es gibt einen Hahn, der sich für eine Ente hält und sogar auf die geflügelten Genossen wartet, wenn die ihre Runde schwimmen gehen. Zwei Zwergesel und ein Pony zuckeln über den weitläufigen Hof, das von Gehegen umsäumt wird, in denen sich die Hängebauch- und Wollschweine im wahrsten Sinne des Wortes sauwohl fühlen, die Ziegen fröhlich meckern. Die Laufenten stürzen, beängstigend mit Hals und Kopf voran, über die Wiese, den großen Ganter und seine Frau korrekt meidend. Und die Ostpreußischen Skuddeschafe beschweren sich lautstark über die ständigen Störungen.

Nicht nur die Tiere fühlen sich auf dem Hof Loosen ganz offensichtlich wohl.

Auf dem Hof Loosen in Rätzlingen ist in den letzten Wochen eine Menge los gewesen. Das NDR-Fernsehen war da, um die Familie vorzustellen, danach stand das Telefon kaum still und es flatterten zahlreiche Briefe ins Haus. Meist waren es wohlmeinende. Dabei tun Carsten und Adriane Loosen und ihre drei Kinder Michelle (11), Pascal (15) und Dominique (13) eigentlich gar nichts Besonderes. Sie tun das, was erst kürzlich ins Grundgesetz aufgenommen wurde: Sie schützen Tiere. Nun mag das für den Einen oder Anderen angesichts der Tatsache, dass auch in unserem reichen Land Kinder verhungern, geschlagen und missbraucht werden, eine nicht extra zu würdigende Mission sein. Wenn man jedoch bei den Loosens zu Gast ist, sich am Umgangston in der Familie freut und sieht, dass dieses "nicht wegsehen Können" manchmal auch ein Fluch ist, dann lebt dort ein Füreinander- Dasein, wie wir es so gerne und zu vielen Gelegenheiten immer wieder (meist von anderen) reklamieren.

Fühlt sich sauwohl bei den Loosens in Rätzlingen: Karli, das Hängebauchschwein, genießt die Streicheleinheiten.

"Als Kind wollte ich sechs Kinder und einen Bauernhof", weiß Adriane Loosen noch, die eigentlich Bürokauffrau lernte. Den Bauernhof hat sie, dabei fing alles nur mit Hund und Katz` an, wie bei so vielen Leuten. "Wir wollen auch keine Tiere produzieren, sondern vielleicht mal Selbstversorgung betreiben", ergänzt Carsten Loosen, ausgebildeter Eisenbahner und noch in diesem Beruf tätig. Die Stammtiere haben auf dem Hof auf jeden Fall ihren Alterssitz gefunden, denn auf sie stieß das Ehepaar immer, wenn es eigentlich ganz anderes wollte. Da ist zum Beispiel Karli, das Hängebauchschwein. Wer sähe dem sich genüsslich den Streicheleinheiten Hingebenden an, dass er vor ein paar Jahren noch keinen Menschen an sich heran ließ. Er war von seinem Vorbesitzer so geschlagen worden, dass noch heute das Fell nicht dicht nachgewachsen ist. Auch das Pony war ein Notfall. Der Besitzer fuhr in Rätzlingen vor und sagte: Wenn Sie ihn nicht nehmen, kommt er zum Abdecker. Das Tier konnte seine Aufgabe in einer Reitschule nicht mehr erfüllen. Wegwerfgesellschaft auch hier?

So haben alle Kreaturen eine Geschichte und - vor allem einen Namen! Inzwischen "gehen uns die Namen langsam aus" und aus der Ziegenmilch wird wenigstens schon Käse gemacht.

Ihr könnt mich mal .. gern haben.

Zirka 60 Tiere leben auf dem Loosen-Hof auf 3.650 Quadratmetern. Jedes hat sein "Revier", auch Beethoven, der Kater mit dem lädierten Ohr. Er hat seinen Namen, weil er der neunte Kater war, nicht, weil er vielleicht nicht richtig hören kann. Die junge Schwalbe im Käfig, die eifrig die dargebotenen Fliegen und gekochtes Ei verschlingt, hat nur vorübergehendes Asyl gefunden, denn in ein paar Tagen wird sie selbst fliegen. So ist das bei Loosens, da wird auch der aus dem Nest gefallene Vogel für kurze Zeit vor der Katze bewahrt.

Ist noch Platz für weitere Vierbeiner? Einen Wunsch haben Carsten und Adriane noch: Highlander, die Bobtails unter den Rindviechern. Dafür kam ein Brief aus dem Erzgebirge: " wir würden uns freuen, einen unserer kleinen Teddys in Ihre behütenden Hände abzugeben. Und außerdem waren wir noch nie in der Lüneburger Heide", heißt es darin. Es stehen also für die Protest blökenden Schafe weitere Aufregungen ins Haus!

Text und Fotos von Barbara Kaiser